Leben mit Soziologinnen und Soziologen. Ein ((sehr) persönlicher) Erfahrungsbericht

Dieser Blogeintrag hat lange auf sich warten lassen. So unentschuldbar das ist, so sehr gibt es dafür zwei Gründe. Erstens fehlte mir aufgrund anderer Verpflichtungen die Zeit und zweitens musste ich wider Erwarten länger darüber nachdenken, was diese zwei Tage bei mir verändert haben. Natürlich waren an diesem Treffen nicht nur Soziologen und Soziologinnen beteiligt, sondern auch die Design-Kolleginnen und Kollegen aus Potsdam. Und das hat vieles erleichtert. Das Folgende soll sich aber auf die besonderen Erfahrungen mit den Soziologinnen und Soziologen konzentrieren.

Doch fangen wir am Anfang an. Mitte Mai traf das Forschungsprojekt zu Prototypen sich zu einer zweitägigen Klausur auf der Museumsinsel München, inklusive geselligem Beisammensein. Also allem, was es braucht, um sich u.a. noch besser miteinander bekannt zu machen. Mit einem der Soziologen (Marcel Woznica) war ich einige Wochen zuvor ein paar Tage beruflich in der Schweiz und Italien. Und schon da wurde klar: Soziologen können unterhaltsam, gesprächig, begeisterungsfähig und diskussionsfreudig, kurz: ungemein spannende Reisebegleitung sein. Und wie gefährlich kann ein einzelner Soziologe für das eigene Weltbild schon sein? Was passiert also, wenn ein nüchterner, pragmatischer und jeder Theorie abgeneigter Museumsmensch wie ich (okay das war übertrieben) sich einer Mehrheit an Soziologinnen und Soziologen gegenübersieht?

Erste Erkenntnis: Mögen diese Menschen auch noch so angenehm, freundlich und erfrischend anders sein: Seltsam sind sie doch!

Da wird über soziologische Theorien von Wissenschaftlern diskutiert, deren Namen mir seit dem Studium völlig zu Recht entfallen waren und die sich mit Systemen beschäftigen. Man fragt sich unwillkürlich: Systeme? Sind dafür nicht Biologie und Klimaforschung zuständig? Hätte man in dieser Zeit nicht etwas viel Einfacheres studieren können? Kunstgeschichte zum Beispiel oder eine der Wirtschaftswissenschaften. Alles leicht zu konsumieren und einen Job bekommt man später ja auch damit.

Zweite Erkenntnis: Je länger man zuhört, dass desto mehr Sinn macht das Gehörte. (Wenn nur nicht so viele Fachbegriffe fallen würden.)

Der erste Tag stand im Zeichen des Museums. Wir wollen am Ende eine gemeinsame Ausstellung machen, die in einem wahren Spagat eine Ausstellung des Deutschen Museums sein und gleichzeitig die Forschungsergebnisse des Projekts vorstellen soll. Also hieß es, den Teilprojekten nahezubringen, was wir vom Museum uns darunter vorstellen. Das ist immer kompliziert. Wenn man ein (in diesem Fall mäßig) komplexes Museums- und Ausstellungskonzept vorstellt, egal vor welchem Publikum, erntet man üblicherweise zweierlei Reaktionen: Zustimmung und Verwirrung, manchmal auch beides von denselben Personen. Das ist bei unserem Projekt Zukunfts-Museum nicht viel anders. Das war dieses Mal anders. Zum einen war dieses Publikum von Anfang bis Ende interessiert, manche schienen sich sogar Notizen zu machen. Die Reaktionen waren dann ebenso zustimmend wie kritisch. Ich habe lange nicht mehr so offen über unser Konzept und unseren Vermittlungsansatz diskutieren dürfen.

In der Diskussion über unsere gemeinsame Ausstellung sind wir dann ein erhebliches Stück vorangekommen: Interaktiv soll sie sein, partizipativ und begleitet von einem umfassenden museumspädagogischen Angebot und Veranstaltungen. Die Forschungsergebnisse werden auf aktive und aktivierende Weise einem breiten Publikum vorgestellt. Für einige der Teilprojekte sicher Neuland, aber auch für uns als Museum eine Herausforderung. Ich freue mich drauf!

Das gemeinsame Abendessen schließlich (Sascha bitte entschuldige die schlechte Wahl!) brachte einige Stunden kurzweiliger Unterhaltungen über soziologische Themen, siehe oben.

Nur eines können SoziologInnen, nicht leiden: Wenn man darauf hinweist, dass wissenschaftliche Erkenntnisse möglichst allen Teilen der Gesellschaft nicht nur zugänglich, sondern auch verständlich sein sollten. Und nicht nur der eigenen Blase. Auch Museumsmenschen hausten einst gerne im Elfenbeinturm, und viele haben sich da bis heute häuslich eingerichtet, schließlich ist es wirklich gemütlich. Hilft aber nichts, Wissenschaft ohne Verständlichkeit für die Menschen ist sinnfrei.

Am zweiten Tag stellten die Teilprojekte ihre aktuellen Ergebnisse und Schwerpunkte vor: informativ, interessant, manchmal etwas ausschweifend und theoretisierend, aber sehr lehrreich.

Dritte Erkenntnis: Moderation heißt auch, eine Diskussion mal abzuwürgen. Der Zeitplan steht über dem Wunsch nach allumfassender Diskussion.

Am Nachmittag, als der Zeitplan wieder stimmte, gab es noch einen Einblick in eine neue Vermittlungsplattform des Deutschen Museums: eine Science Show zum Thema Robotik. Auch wenn dabei, wie üblich, nicht alle Roboter mitspielen wollten. Das scheint ein verbindendes Element zwischen Museum und Soziologie zu sein: In der Theorie passt alles, die Praxis ist dann etwas komplexer. Fazit: Zwei Tage mit Soziologinnen und Soziologen sind gleichermaßen anstrengend und unterhaltsam. Ich würde es wieder tun, man lernt so viel dabei!